Montag, 31. Juli 2017

Ein Jumpsuit aus leichtem Viskosestoff


Mit unserer Urlaubsplanung waren wir dieses Jahr etwas spontan. Keine Woche im Voraus wusste ich, dass wir an die französische Riviera fahren. Das war mein erstes Mal dort und ich fand es wunderschön.

Im letzten Post habe ich euch schon ein Jumpsuit gezeigt. Ich habe ihn auch in der Burda-Community gepostet. Beim Stöbern über die anderen Communitykreationen bin ich über diese gestolpert. Noch ein Jumpsuit :) Im Heft ist er in Unifarbe verarbeitet, mir gefiel aber die gemusterte Version sehr gut. Und irgendwie kreiste bei mir der Gedanke im Kopf, dass dieses Modell für einen Tagesausflug in Frankreich gut passen würde. Später habe ich noch diese und diese Variante aus Viskosejersey gesehen. Ich wollte dieses Mal aber ein sehr leichtes Material verarbeiten und habe dafür einen Viskosemusselin mit Palmenblätterprint von Dawanda* genommen.

Für meine Verhältnisse war dieses Projekt relativ schnell umgesetzt. An Arbeitstagen kann ich höchstens eine Stunde abends ins Nähen investieren. So habe ich am Dienstag den Stoff gekauft und das Schnittmuster abgepaust, am Mittwoch zugeschnitten, am Donnerstag geheftet und anprobiert, um die notwendigen Korrekturen durchzuführen. Am Freitagabend und am Samstag habe ich dann den Anzug fertiggenäht. Am Sonntag ging es los nach Frankreich :)

Die Posts von Nokiko und Claudi292 haben mich verunsichert, was die Passform angeht. Die Dame mit einer Körpergröße von 160 cm fand das Modell zu kurz... Da ich 8 cm größer bin, wusste ich, dass auch ich mit hoher Wahrscheinlichkeit verlängern muss. So habe ich an beiden Teilen des Oberteils und oben am Hosenbund eine größere Nahtzugabe hinzugefügt, jeweils 2,5 cm. Nach der Anprobe entschied ich, jeweils 1 cm aus der Nahtzugabe des Oberteils und Passe rauszulassen. Das entspricht insgesamt 2 cm Verlängerung. Dazu habe ich die hintere Hosenmittelnaht um 1 cm verlängert. "Schrittfreiheit" nennt man das, falls ich mich nicht irre, sehr wichtig bei nicht dehnbaren Stoffen. Die Hose war wie immer zu lang. Ich habe sie um 7 cm gekürzt. Und das war's, in der Breite hat der Overall sehr gut gepasst.




In der russischen Burda-Community haben die Leute das Modell nicht so schön gefunden. Es gab mehrere Kommentare, dass die Raffung auf der Brust und die horizontale Teilung sehr auftragen. Ich kann diese Meinung gar nicht teilen. Ich finde, dass ich in dem Overall kein bisschen dicker aussehe, maximal so, wie ich bin :)

Den Jumpsuit habe ich im Urlaub sehr gerne getragen. So gerne, dass ich ihn noch per Hand gewaschen und an der Sonne getrocknet habe. Obwohl ich genug andere Kleider dabei hatte, habe ich den Anzug mehrmals anziehen wollen.

Die leichte "kalte" Viskose hat sich bei +35 Grad sehr angenehm angefühlt. Die Hosenbeine sind breit genug, um genug Durchluftung unter der Meeresbrise zu bieten. Auf den Fotos sieht man teilweise, dass es in der Nähe vom Meer relativ windig war.

Bei unserem Tagesausflug nach Monaco habe ich mich auch neben dem dortigen Publikum gut angezogen gefühlt. Ich stand vor den Designergeschäften und habe die Frauen beobachtet, die mit vollen Einkaufstaschen rausgingen. Die passenden Männer warteten draußen. Ich habe die Kleidermodelle durch die Glasfenster beobachtet. Ihre Preise habe ich nicht gesehen, doch mir vorstellen können, dass es keine 50-Euro-Teile waren. Ich fand mein Outfit an dem Tag keinesfalls schlechter oder "billiger". Ich war froh, zu erkennen, dass ich mittlerweile ziemlich jedes Kleidermodell nachnähen kann.

Das Post wollte ich im Urlaub verfassen, doch dafür fehlten mir die Zeit und Ruhe. Inzwischen bin ich froh, wieder in gewohnten Umgebung in Deutschland zu sein und mich meinem Lieblingshobby weiter widmen zu können. Das Wetter ist auch hier sehr angenehm geworden.

Schnitt: Modell 111 aus Burdastyle 6/2017, auch als Downloadschnitt verfügbar
Stoff: Viskosemusselin von Dawanda*
Fotos: meine

* - Partnerlink


Mittwoch, 12. Juli 2017

Modernes Retro: ein Jumpsuit


Als ich vor ein paar Jahren den Jumpsuit in den Schnittmustermagazinen sah, war meine Reaktion “Oh neee, sowas werde ich nie tragen”. Obwohl ein Jumpsuit zur Mode der 70er gehört, standen die Bilder aus den 80ern-90ern vor meinen Augen: Frauen in neonfarbigen Overalls, Dauerwelle, die mit Haarlack fixiert ist, und natürlich hellblauen Lidschatten. “Neee, das ist das krasse Gegenteil von dem, wie ich aussehen will”, dachte ich.

Aber die Magazine waren sehr penetrant: fast jeden Monat tauchte in dem einen oder anderen Heft eine neue Variation des Jumpsuits auf. Eines Tages in 2016, als ich die Aprilausgabe des Burda-Magazins meinem Postfach entnahm, habe ich ihn gesehen: den Einteiler aus einem weichen Viskosejersey, mit breitem Bein und offenen Rücken. Der Anzug in der weinroten Farbe sah unglaublich elegant aus. Ich musste ihn unbedingt haben :)
Vom Schnittabpausen bis zum Fertignähen ist mehr als ein Jahr vergangen. Teilweise lag es daran, dass so ein Jumpsuit nicht zu den Alltagskleidungsstücken zählt, man “braucht” sowas nicht. Der Nähprozess selbst hat bei mir auch etwas gedauert. Nach dem Zuschneiden und Probeheften lag das Teil monatelang als UFO (Unfinished Object) im Schrank. Die vielen Anpassungen, die ich machen musste, haben meiner Motivation Grenzen gesetzt. Da ich den Suit unbedingt hier in meinem neuen Blog zeigen wollte, habe ich entschieden, ihn fertig zu machen, und bereue diese Entscheidung auf keinen Fall.


Meist bin ich mit meiner Körpergröße von 168 cm bei Burda und den anderen gut aufgehoben. Die Schnitte in Normalgrößen sind genau für diese Größe entwickelt. Leider gab es den von mir gewählten Overall nur in Kurzgrößen: 18 bis 21 für Frauen, die 160 cm groß sind. Das hieß, dass ich den Schnitt in der Länge anpassen musste. Da das meine erste Erfahrung mit Kurzgrößen war, wollte ich auf Nummer sicher gehen, und habe dem Oberteil und der Hose im Hüftbereich jeweils 4 cm dazugegeben. Das hat die 8 cm Größenunterschied zwischen “normal” und “kurz” kompensiert.

Bei der ersten Anprobe hing der Schritt ziemlich tief. So eine Art Haremshose :) Ich konnte die zusätzlichen Zentimeter von der oberen Hosenkante sofort abschneiden.

Obwohl das Oberteil locker über dem Bund hängen sollte, war es nach meiner Verlängerung auch viel zu lang. Von mir wurde es nur unten verlängert. Der Halsausschnitt und die Armlöcher des Originalschnitts waren für mein Geschmack viel zu tief. Deswegen habe ich das Oberteil oben an den Schultern wieder um 4 cm gekürzt.

Ich habe mich nach der Maßtabelle für die Größe 21 entschieden und musste unten an den Seiten doch ziemlich viel wegnehmen. Insgesamt habe ich im Taillenbereich 10 cm weggenommen, sonst hätte der Jumpsuit gar nicht gehalten. Die Hosenbeine sind sehr breit, ich habe sie jeweils um 2 cm verschmälert. 

Insgesamt habe ich das Nähen dieses Modells nicht als leicht empfunden. Schon beim Zuschneiden hatte ich meine Probleme, weil ich viel zu wenig Stoff hatte. Das ist natürlich meine eigene Schuld. Ich hatte nur ein 180 cm langes Stück zuhause und musste tricksen, um alle Schnittteile draufpacken zu können. Auf die Taschen habe ich dann verzichtet :) 

Die viele Schnittanpassungen und Anproben haben den Nähprozess in die Länge gezogen. Am Anfang sah der Overall gar nicht gut aus, und ich habe gezweifelt, ob so ein Einteiler überhaupt etwas für mich sein kann. Viskosejersey ist auch nicht so leicht zu nähen, insbesondere wenn man einen Reisverschluss einarbeiten muss. Weil eine so breite Hose aus einem so schweren Material doch einiges am Gewicht hat, muss der Bund sehr stabil sein. Viskosejersey ist aber alles andere als stabil, deswegen wird im Magazin auch empfohlen, ein Gummi auf die Bundnaht anzunähen. Statt eines einfachen Gummis habe ich Framilastik (link) in der 6-mm-Breite genommen und finde diese Lösung richtig schön. Die Stabilität hat sich deutlich gebessert und die Naht ist nicht dicker geworden.

Ich muss sagen, dass ich von dem Ergebnis jetzt richtig begeistert bin. Vielleicht ist es die Farbe? Den dunkelroten Ton mag ich auch sonst sehr gerne.

Das Modell ist dafür gedacht, es ohne BH zu tragen. Zu den 70ern würde es richtig gut passen. Ich habe neulich ein interessantes Interview mit einem sowjetischen Model, Ewgenija Kurakina, gelesen, in dem sie sagt: “[...] Und in den siebziger Jahren haben wir derart kurze Röcke und derart hohe Plateauschuhe getragen, so hoch, dass es uns heute nichts mehr als gewagt erscheint. In Moskau wurde ich einmal von einem Milizionär angehalten, weil ich in ein rotes transparentes Batisthemd gehüllt war und keinen BH trug.” (Quelle)

Es ist 2017 und ich bin auch leider nicht mehr 16. Deswegen traue ich mir nicht zu, irgendwo mit offenem Rücken und ohne BH aufzutauchen. Als Lösung habe ich ein BH mit Frontverschluss und Rückenverzierung genommen. Einfach, weil ich mich so sicherer fühle. Ich finde, das lässt sich so tragen, oder?

Wie ich oben schon geschrieben habe, ist so ein Overall kein Alltagsteil. Für mich ist er definitiv nichts für die Arbeit. Aber vielleicht für eine Sommercocktailparty? Schade, dass ich so selten auf so eine Party eingeladen bin… 

Trotz allen Schwierigkeiten mit diesem Overall, habe ich schon ein anderes Modell ins Auge gefasst und suche brennend nach dem passenden Stoff. Das Modell 121 aus Burda 4/2017 aus Rippenjersey ist, meiner Meinung nach, auch ein absoluter Hingucker.

Was denkt ihr von Overalls generell? Habt ihr welche im Schrank? Wann werden sie bei euch ausgeführt?

Stoff: Viskosejersey in Bordeaux von AfS (Partnerlink)
SM: Modell 112A aus Burda 04/2016 oder als Downloadschnitt.
Fotos: meine

Verlinkt bei AfterWorkSewing.

Freitag, 7. Juli 2017

Was ich am Nähen (nicht) mag

Wie wahrscheinlich viele von euch nähe auch ich meistens alleine. Ich sitze in meinem schicken Nähzimmer meiner Nähecke im Schlafzimmer und kreiere vor mich hin. Manchmal weiche ich ins Esszimmer aus, um auf dem großen Esstisch zuzuschneiden. Wenn ich alleine bin, kann ich so den ganzen Tag verbringen, ohne ein Wort gesprochen zu haben.

In meinem Umfeld gibt es nur wenige Leute, mit denen ich mich über mein Hobby unterhalten kann. Vor ein paar Jahren bin ich einer lokalen Nähgruppe beigetreten, die sich regelmäßig alle 1-2 Monate trifft, um gemeinsam zu nähen.

Letztens haben wir uns dort über die Sachen unterhalten, die wir am Nähen mögen und nicht mögen. Eine von uns hat gesagt, dass sie den Prozess der Modell- und Stoffauswahl faszinierend findet. Und das Nähen selbst ist dann nur Mittel zum Zweck… Ich muss für mich sagen, dass ich manchmal das Zusammensuchen der Materialien ziemlich nervig finde. Insbesondere bei Taschen, wenn die Paspel farblich zum Reißverschluss passen muss und das Ganze noch mit den meist mehreren Stoffen harmonieren muss… Uff, da besucht man schon einige Geschäfte und bestellt online, um festzustellen, dass die Farbe im Endeffekt doch nicht so ist, wie abgebildet. Also, zusammensuchen, hm… nicht meine Lieblingsbeschäftigung.
Es gibt einige Sachen, die mich am Nähen reizen, und eine davon ist, dass ich keine Kompromisse eingehen muss. Ich nähe viel Kleidung für mich, und jede Naht sitzt dort, wo ich sie haben möchte. Und das Modell ist so, wie ich es mir vorstelle. Volant hier? Bitte! Kein Volant? Bitte! Meist benutze ich natürliche Stoffe, die angenehm zu tragen sind. Ich habe schon vergessen, wie sich Polyester anfühlt. Und etwas Neues aus dem “Nichts” zu kreieren, ist natürlich auch ein tolles Gefühl. Mit der Zeit habe ich auch bemerkt, dass die von mir genähten Kleider sauberer verarbeitet sind, als die gekauften aus der mittleren Klasse. Naja, nicht immer, aber ich übe ja auch noch :)
Als ich meine Freundin fragte, was sie nicht mag, hat sie gesagt: “Wenn etwas per Hand angenäht werden muss.” Manchmal, wenn man nach Anleitung näht, muss man das Futter an den Reißverschluss per Hand annähen. Oder Blindsaum. Oder Wendeöffnung mit Matratzenstich… Hm… Ich habe kein Problem damit. Obwohl ich in der letzten Zeit viel mit der Maschine arbeite, auch beim Futter und Blindsaum, finde ich es trotzdem nicht schlimm, mal eine Nadel in die Hand zu nehmen. Schließlich heißt es ja Handarbeit. Und ich hefte viel. Viel zu viel im Vergleich zu den Anderen, die ich kenne. Altmodisch, ich weiß, aber ich sage mir immer wieder: “Lieber ein mal zu viel geheftet, als wieder eine Naht auftrennen zu müssen.”
Was mag ich beim Nähen am wenigsten? Früher habe ich Schnittmusterabzeichnen nicht gemocht. Oder zusammenkleben. Jetzt bin ich routinierter und schneller geworden und es macht mir nichts aus. Was ich nicht mag, sind Anpassungen an die Figur. Ihr habt wahrscheinlich schon die Tendenz im letzten Post bemerkt. Über die Jahre habe ich einige UFOs (unfinished objects) gesammelt. Die meisten davon sind liegen geblieben, weil sie nicht gepasst haben. Ich hätte mir notieren müssen, wo und was verändert werden muss, und teilweise wieder auftrennen müssen. Manchmal wusste ich nicht ganz, wie ich die Passform am fertigen Stück korrigiere, und das Stück ist nicht fertig geworden. Schade. Aber die Hürde, mich mit diesem Problem auseinander zu setzen, ist höher, als etwas Neues anzufangen.
Umso stolzer bin ich, euch nächste Woche eins von diesen Projekten präsentieren zu können. Dafür bin ich diesem Blog dankbar, weil ich mir selbst so ein bisschen Druck gemacht habe. Es lag bestimmt seit 6 Monaten rum und jetzt ist es fertig :) Und jetzt bin ich stolze Besitzerin eines neuen Kleidungsstücks.

Habt ihr euch auch schon mal zum Thema “Warum nähe ich?” Gedanken gemacht? Es wird mich riesig freuen, wenn ich den einen oder anderen Kommentar zum Thema bekomme. Ich bin mir sicher, dass wir alle verschiedene Sachen am Nähen toll und hässlich finden. Und vielleicht gibt es den einen oder anderen Tipp, wie man die nicht so schönen Operationen schöner machen kann :)

Ich wünsche euch ein sonniges Wochenende. Bis nächste Woche!