Samstag, 11. August 2018

Asja von VikiSews

Ein Kleid mit solchen Ärmelchen wollte ich schon seit Langem haben. Leider haben die Schnittmustermagazine mir dafür nur eine bescheidene Auswahl geboten. Die Ärmelvolants sind schon sein ein paar Jahren ein Modetrend, doch haben mich die bis jetzt angebotenen Modelle nicht so richtig überzeugt.
Ich muss an dieser Stelle ein paar Worte zu meiner Einstellung bezüglich Indieschnittmuster schreiben. Ich glaube, ich kann mich immer noch in die Gruppe derjenigen einordnen, die gerne die Schnitte aus den Magazinen vernähen. Ab und zu findet man in meinem Schrank Teile von Pattydoo, ich liebe die Einfachheit ihrer Schnitte. Noch seltener trifft man etwas von den anderen Indielabels. Warum ist es so? Eigentlich ist die Tendenz in der modernen deutschen Nähcommunity ganz umgekehrt: man beschreibt die Anleitungen in den Magazinen als knapp und unverständlich. Dafür zahlt man lieber ein paar Euro mehr und bekommt eine schön beschriebenem bebilderte Anleitung. Ich habe aber mehrmals erlebt, dass ich Schnittmuster gekauft habe, die meiner Meinung nach nicht optimal konstruiert wurden. Manchmal hat auch die angebotene Bearbeitung nicht mit dem überein gestimmt, was ich so aus Nähtechnologiebüchern kenne. Es gibt wohl nicht wenige Indieschnittmusteranbieter, die sehr professionelle Schnitte herstellen und auch selbst sehr professionell und gebildet sind. Nur kann ich sie von den Amateuren auf den ersten Blick schwer unterscheiden. Deswegen gehe ich normalerweise auf Nummer sicher und vernähe doch einen Schnitt von Burda oder Grasser.

VikiSews ist ein Indieschnittmusterlabel aus Russland. Ich bin auf Empfehlung von Julia aka SewingGalaxy darauf gekommen. Nach dem Anschauen der kostenlosen Videoanleitung zu dem Kleid habe ich mich entschieden, den Schnitt auszuprobieren. Die Schnitte von VikiSews sehen alle so unglaublich feminin aus... Und so ein Midi-Kleid mit einer Knopfleiste hat in meinem Kleiderschrank bis jetzt definitiv gefehlt. Kosten tut dieser Schnitt fast gar nichts, wenn man die Preise z.B. mit amerikanischen Anbietern vergleicht. Nachteil für den deutschen Sprachraum: alles ist auf Russisch. Genauso wie bei Grasser. Sie müssen meiner Meinung nach dringend daran arbeiten, weil sie sich auf der internationalen Szene definitiv auch gut behaupten würden.

Der dünne Baumwollstoff ohne Elastan mit einer satinierten Oberfläche lag schon in meinem Schrank. Den habe ich, wie auch viele andere dieses Jahr, bei Karstadt ergattert, als sie eine Neulieferung im Frühling hatten. Der Stoff ist sehr leicht, dabei aber nicht durchsichtig, was ihn für dieses Modell gut qualifiziert hat. Das Kleid wird mit Belegen und ohne Futter verarbeitet.

Auch dieses Kleid habe ich entschieden ohne Probekleid direkt zu nähen. Ich habe am Schnittmuster grob gemessen und entschieden, dass es passen wird. Wahrscheinlich habe ich beim Messen einen Fehler gemacht, weil ich bei einer ziemlich späten Anprobe verstanden habe, dass das Kleid mir untenrum zu eng ist. Die Nahttaschen saßen viel zu weit hinten und waren von daher absolut überflüssig. Ich habe mich in so einem engen Rock aus so einem dünnen Material nicht wohlgefühlt. Nach der kurzen schlaflosen Nacht :) habe ich entschieden, beim Karstadt mehr Stoff zu holen und den Rock zu ersetzen. Zu meinem Glück war der Stoff noch da.

Später habe ich bemerkt, dass die Größentabelle von VikiSews den Hüftumfang von 98 cm für meine Größe 40 vorsieht. Das sind 4 cm weniger als ich habe, und dadurch dass der Rock schon so schmal geschnitten ist, lag die Breite nicht in meinem Komfortbereich. Ich hätte den Rock eigentlich in Gr. 42 zuschneiden müssen, also mindestens 4 cm breiter. Selbst schuld.

Das Auftrennen war ärgerlich, aber ging ziemlich zügig. Ich habe entschieden, die Nahttaschen komplett wegzulassen. Auch an einem breiteren Rock sind sie komisch positioniert und für meinen Geschmack nicht so praktisch. Die Taschenbeutel müssen auch ständig beim Anziehen nach vorne gerichtet werden, da sie unter dem Rock verklumpen.

Der neue Rock, den ich insgesamt 6 cm in der Hüfte breiter gemacht habe, fühlt sich viel bequemer an :) Und die Taschen fehlen mir nicht. Die Länge habe ich entschieden so zu lassen, wie es im Schnittmuster vorgesehen ist. Normalerweise trage ich etwas kürzere Röcke, knapp überm Knie, habe aber gehört, dass Midi jetzt wieder im Trend ist und wollte es einfach ausprobieren. Laut Schnittvorgabe ist der unterste Knopf sehr hoch, so dass man vorne einen lange Schlitz hat. Für mich hat sich erwiesen: not safe for work. Im Büro kann ich mit so einer Schlitz nicht auf dem Stuhl sitzen, ohne mich nackt zu fühlen. Deswegen habe ich entschieden, einen kleinen Druckknopf weiter unten anzunähen. Den kann man ja aufmachen, wenn man irgendwo spazieren geht :)

Allgemein zu dem Schnittmuster: einige Sachen sind "für die Anprobe" gemeint. Zum Beispiel sind die Träger, die im Schnitt gegeben sind, offensichtlich zu kurz. Ich musste die Träger um rund 7 cm verlängern. Außerdem sind Position und Neigung der Träger sehr wichtig. Das halbfertige Kleid ist sehr schwer anzuprobieren. Die vordere Blende muss angenäht werden damit das Kleid halbwegs geschlossen werden kann. Sie wird aber erst zum Schluss angenäht, also muss man sie anheften und dann auftrennen. Die Länge der Gummibänder ist auch nicht gegeben, man muss sie auch irgendwie selbst bestimmen. Als Folge daraus sind ich meine viel zu kurz geraten, ca. 2-3 cm pro Ärmel wäre besser. Meine sind jetzt 21 cm lang.

Falls sich jemand von euch entscheidet, das Kleid nachzunähen, hier ist meine Empfehlung: das Kleid fällt ziemlich eng aus, deswegen entweder mit größeren NZ arbeiten oder sofort am Schnitt die Teile ausmessen und breiter machen. Die Träger sollen von Anfang an 10 cm länger geschnitten werden. Ich habe auf Instagram verschiedene Träger an diesem Kleid gesehen, was wahrscheinlich aus dem Grund passiert, dass man mit den Originalträger (in Länge und Breite) schwer klar kommt. Wenn man auf Nummer sicher gehen möchte, soll man einfach dünnere Träger zuschneiden, die oben mit einer Schleife gebunden werden. So vermeidet man Probleme mit Neigung und Länge.
Sonst ist es ein schönes feminines "erwachsenes" Kleid, das ich schon liebe. Wie alle meine selbstgemachten Kleider hat es einen eigenen Charakter und passt am besten zu bestimmten Situationen. Vor allem passt das Kleid zur Saison Sommer 2018, da solche Ärmelchen absolut im Trend sind. Der luftige Stoff gibt dem Kleid noch Pluspunkte bei heißen Temperaturen. Das Kleid zieht die Blicke auf sich, also wer nicht auffallen möchte, näht vielleicht was anderes :)
Schnitt: Asja von VikiSews in Gr. 40
Stoff: dünne satinierte Baumwolle von Karstadt
Fotos: meine

Ich habe in der letzten Zeit hier schon einige Schnittmuster von den russischen Labels gezeigt. Ich verstehe, dass es sie und auch die Videoanleitungen zur Zeit nur in der russischen Sprache gibt. Deswegen sind sie für die deutsche Nähcommunity, für die ich auch meinen Blog schreibe, von begrenztem Interesse. Trotzdem finde ich es wertvoll, einen Überblick zu verschaffen, was sich alles so in der Nähszene der anderen Länden abspielt. Russland war schon immer und ist immer noch das Land, in dem es viel genäht wird. Die Leute nähen selbst und lassen die Kleider maßanfertigen. Das ist zum Teil geschichtlich und zum anderen Teil durch die wirtschaftliche Situation bedingt. Falls ihr euch weniger Beiträge über die russische Nähszene wünscht, schreibt das bitte in den Kommentaren.